Bedeutet Advent immer gleich Stress?

Heute ist der 1. Dezember, der auch gleichzeitig der erste Advent ist und ich sitze in meiner Naturheilpraxis in Norderstedt.

 

Warum ich das an einem Sonntag mache? Weil ich hier zur Ruhe komme. Dieser Raum ist für mich ein sicherer Hafen, der mich immer wieder auf das Wesentliche besinnen lässt.

In dem ich, obwohl er ja mein Arbeitsplatz ist, entspannen kann.

Hier unterstütze ich Menschen denen es schlecht geht, berate, therapiere, spiele mit Kindern, lese, lache und weine.

Hier ist der Raum, in dem ich die meiste Zeit meines Lebens verbringe.

Und der Raum, in dem ich mich am meisten „spüre“ und in dem ich am meisten „bin“, im Sinne von Sein.

 

Heute ist der 1. Dezember und ich schaue schon jetzt ein wenig auf meine vergangenes Jahr. Dazu begleitet mich, wie übrigens jeden Adventssonntag, Mozart´s Requiem.

 

Heute vor einem Jahr war ich das erste Mal in meinem Leben nicht mehr in einem Angestelltenverhältnis. Nach 28 Jahren als Krankenschwester habe ich in der Klinik gekündigt und mich auf eine, für mich, sehr abenteuerliche Reise begeben.

 

Es gab Nächte, in denen ich vor Angst über meine Courage nicht geschlafen habe. Wie oft ich am Anfang nachts aufgestanden bin, kann ich gar nicht zählen.

 

Aber sobald ich hier in meiner Praxis bin, sind die Stresssymptome meistens weg.

Hier bin ich fokussiert und weiß, dass das was ich tue das Richtige ist! Hier bin ich bei mir.

 

Meiner Erfahrung der letzten Jahre nach, braucht nahezu jeder einen solchen Raum.

Das kann ein Raum sein, also richtig mit Wänden, aber auch ein Platz in der Natur. Wer es kann, für den ist dieser Raum vielleicht einfach ein Platz in seinem Herzen oder die zwei Stunden Malkurs die Woche.

 

 

Was macht der Advent mit vielen von uns?

Richtig, er stresst uns.

 

Gestern konnte ich ein paar Gespräche belauschen und ich habe kein einziges Mal etwas gehört wie:

„Ich freue mich auf den Advent und Weihnachten.“

 

Es ging gefühlt nur um Aufgaben die noch anstehen, um unfertige Adventskalender, um Geldsorgen wegen der Geschenke, um den Speiseplan an Weihnachten und dass man wegen der Schlemmereien noch eine große Packung an Magenschutz brauche.

 

Mir wurde ganz schwer ums Herz, ich habe den Stress, die Sorgen und auch die Überforderung richtig spüren können.

Und ich wurde so unglaublich traurig. Traurig darüber, dass auch hier das: schneller, weiter, höher angekommen ist.

 

Und das ist häufig auch das, was ich hier in meiner Praxis höre. Ich bin unter anderem auf Stress und Erschöpfung spezialisiert und für viele meiner Patienten ist die Vorweihnachtszeit die schwierigste Zeit des Jahres.

 

Ich weiß, ich habe es sehr einfach. Meine Eltern sind beide verstorben und meine restliche Familie ist über 600km von mir entfernt. Ich habe keine Kinder und mein Mann ist Gott sei Dank schon groß.

Meine Weihnachtsfeiern habe ich auf die drei wichtigsten reduziert und ich freue mich auf jede einzelne von ihnen.

Ich habe bewusst aussortiert. Und es hilft ungemein, wenn man das ganze Jahr über das Wörtchen „Nein“ übt. Denn vor Weihnachten werden viele Menschen plötzlich ganz empfindlich, wenn sie dieses Wort vom Gegenüber hören.

 

Und mit dem reduzieren der Adventsverpflichtungen wird die Adventszeit und Weihnachten plötzlich für mich wieder das, was es in meiner Kindheit war.

Eine Zeit der Glückseligkeit, der Lichter und der Vorfreude. Eine magische und besondere Zeit.

 

 

Was macht die Adventszeit so besonders?

Die Adventszeit ist deshalb so besonders, weil sie eine Mischung aus Vorfreude, Tradition, Gemeinschaft und Besinnung bietet. Sie lädt dazu ein, innezuhalten, Licht in die Dunkelheit zu bringen und sich auf die Werte von Liebe, Hoffnung und Frieden zu besinnen.

 

Und ist das nicht genau das, nach was wir uns in unserem Innersten sehnen?

Lassen Sie sie zu einem bewussten Gegenpol zum hektischen Alltag werden, in dem Sie über das Jahr und seine Werte nachdenken.

 

Und deswegen sind solche Räume so wichtig. Sich Raum geben, Raum zum innehalten, Raum zum reflektieren, Raum sich zu spüren.

 

 

 

Wenn ich heute übrigens nach Hause komme, werde ich mich mit Kaffee und geschenkten Plätzchen auf die Couch setzen und Drei Haselnüsse für Aschenbrödel schauen. Und wenn es an der Tür klingelt, was meinen Sie was ich mache?

Richtig, ich bleibe sitzen!

 

 

Herzlichst

Ihre Nicole Ulbrich